„Wie gehe ich auf obdachlose Menschen zu?“

Ein paar Gedanken zur Begegnung auf Augenhöhe – als Fotograf, als Mensch.


Anlass

Kurz vor Weihnachten las ich auf dem Instagram-Kanal der Tagesschau die Frage: Wie spricht man obdachlose Menschen an?

Wischt man weiter, folgen Hinweise zum respektvollen Umgang mit obdachlosen Menschen: höflich ansprechen, auf Augenhöhe bleiben, nicht sofort duzen. In den Kommentaren zeigten sich viele Leser*innen dankbar für diese Tipps – vielleicht ist man zur Weihnachtszeit einfach empfänglicher oder ein bisschen gefühliger als sonst.

Gedanken

Ich fragte mich: Warum braucht es überhaupt eine Art Etikette für den Umgang mit obdachlosen Mitmenschen? Warum bedanken sich so viele – und warum scheint kaum jemand zu hinterfragen, dass Respekt doch eigentlich für alle Menschen gelten sollte?

Der soziale Status sollte keine Rolle spielen. Ob CEO oder jemand ohne einen Cent in der Tasche – niemand sollte besser oder schlechter behandelt werden.

Warum solche Hinweise nötig sind: Wer nie mit Menschen außerhalb der eigenen Bubble zu tun hat, entwickelt Unsicherheiten. Die Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, führt dann oft dazu, dass man gar nichts macht – und einfach weiterläuft.

Aber was hat man wirklich zu verlieren? Vielleicht bekommt man mal eine Abfuhr oder wird etwas ruppig behandelt. So what. Man weiß ja nie, in welcher Situation man sein Gegenüber erwischt. Im besten Fall lernt man jemanden kennen, der anders ist als man selbst – und das kann durchaus inspirierend sein.

Begegnung mit Nick

Den jungen Mann auf den Fotos traf ich, als ich gerade einen Film vollschießen wollte, um zu prüfen, ob der Transport in meiner Kamera noch ordentlich funktioniert. Nick kreuzte meinen Weg – und kam mir wie gerufen.

Statt den wolkenverhangenen Sonnenuntergang zu fotografieren, fragte ich ihn, ob ich ein Porträt von ihm machen dürfe. Er sagte ja. Ein fotogener Bursche, offensichtlich.

Wir machten ein paar Bilder, redeten kurz übers Wetter – und verabschiedeten uns wieder. Ganz so, wie ich es mit jedem anderen auch getan hätte.

Fazit

Danke für den Smalltalk, Nick.

P.S.: Die Kamera funktioniert einwandfrei. Eine Leica M6, die schon über 30 Jahre auf dem Buckel hat – bestückt mit einem Ilford HP5. Hier musste kein Look nachträglich drübergelegt werden, und auch beim Fotografieren war kein Bildschirm im Spiel. Es ging nur um das Hier und Jetzt.